
Ob unverpackt einkaufen, im elektrischen Auto unterwegs sein oder Bio-Fleischalternativen auf den Teller bringen – das Thema Nachhaltigkeit ist in unserem Bewusstsein angekommen. Oder sind das nur grüne Lippenbekenntnisse unseres schlechten Gewissens? Obwohl viele Menschen nachhaltig handeln wollen, ist es noch nicht ausreichend sichtbar. Wie kommt es zu dieser grünen Lücke – liegt es an der Motivation oder den fehlenden Angeboten?
Trotz der steigenden Bereitschaft der Konsument:innen an einer nachhaltigen Zukunft mitzuwirken, passierte kaum etwas Langfristiges. Im Jahr 2019 hat jede:r Bürger:in in Deutschland 227 Kilogramm Verpackungsmüll verursacht. Das sind 50 Kilogramm mehr als der europäische Mittelwert, stellte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) unter Berufung auf Zahlen des Umweltbundesamtes fest. Im Jahr 2020 waren es sogar durchschnittlich sechs Kilogramm mehr. Dabei gaben 56% der deutschen Verbraucher im Jahr 2020 an, beim Einkauf von Lebensmitteln Verpackungsmüll zu vermeiden. Noch immer ist es eine Minderheit an Produkten, die ohne Plastikverpackungen auskommt. Viele Angebote sind umhüllt von mehreren Schichten an Folien oder in Hartplastik eingeschweißt. Die Lücke zwischen guter Absicht und nachhaltigem Handeln klafft offensichtlich auseinander. Konsument:innen denken zwar grüner als noch vor einigen Jahren, haben ihr Kaufverhalten aber noch nicht angepasst. Dies wird als Green Gap bezeichnet, denn Nachhaltigkeit wird als ein Handlungsprinzip definiert.
Kampf gegen den Klimawandel
Die gezielte Ressourcen-Nutzung inklusive Handlungsbereitschaft wird immer dringlicher. Das zeigt der Klimawandel und das belegen zahlreiche Studien. Doch faktisch schlagen sich die positiven Meinungen der Verbraucher zum Umweltschutz nur selten in einem nachhaltigen Konsumverhalten nieder. In Frankreich gaben im Jahr 2020 73 % der Verbraucher:innen an, mindestens einmal im Monat Bioprodukte zu essen, doch entfielen nur 6,5 % der Ausgaben der Haushalte für Lebensmittel hierauf. In Deutschland lag der Marktanteil von Bio-Lebensmitteln bei rund 6,8 %.
Reicht es, dass sich Verbraucher:innen bereiterklären, nachhaltigere Überlegungen zu treffen? Jeden Flug mit der angebotenen CO2-Emissionen Kompensation zu buchen statt weniger zu fliegen? Online nur das notwendige Kleidungsstück bestellen, um Retouren zu vermeiden? Meist gewinnen beim Kauf dann doch der Preis und die kurzfristige Bedürfnisbefriedigung. In allen Lebensbereichen zeigt sich diese grüne Lücke: Nachhaltig zu handeln ist manchmal leichter gesagt, als getan. Die Lücke zwischen guter Absicht und tatsächlichem, nachhaltigen Handeln ist groß und wiegt schwer.
Dennoch: die Gesellschaft wurde in den letzten Jahren zunehmend grüner. Das allgemeine Bewusstsein holt die wichtigsten Themen nun an den Mittagstisch. Ob Missstände in Unternehmen bei der Kleiderherstellung oder der Logistik, wie Löhne und Arbeitszeiten, werden nun überall diskutiert. Themen, die bisher eher grüne Hartliner auf die persönliche Agenda genommen hatten.
Nachhaltigkeit ist nämlich kein Endzustand, sondern eine fortwährende Herausforderung. Wie groß ist die grüne Lücke in den wichtigsten Lebensbereichen wirklich?
Ökologisch verantwortungsvolle Lebensmittel
Die Verpackungsproblematik ist ein gutes Beispiel, birgt aber eine traurige Wahrheit: Wir Deutschen stehen hier an der europäischen Spitze. Laut Geo Magazin fällt in keinem EU-Land mehr Verpackungsmüll pro Kopf an. Plastikverpackungen sind dabei besonders gemein, da die Herstellung Energie erfordert und Klimagase erzeugt und somit besonders viele Ressourcen bindet. Daher dürfen nun in den Geschäften und Supermärkten keine Einkaufstüten aus Plastik mehr angeboten werden. Ausgenommen sind besonders stabile Mehrweg-Tüten sowie die dünnen Plastikbeutel, die etwa in der Obst- und Gemüseabteilung verwendet werden. Konträr befeuert wird dieser Trend allerdings durch Einweg-to-go-Produkte, den wachsenden Onlinehandel mit dessen Retouren und immer kleinere Verpackungsgrößen. „Werden Unternehmen nicht zur Vermeidung von Abfällen verpflichtet, dann tun sie es auch nicht“, meint die stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in einem Interview mit der Tagesschau im letzten Jahr hierzu. Bis 2025 müsste Deutschland den Verpackungsmüll halbieren. Dabei sieht die DUH vor allem Handel und Supermärkte in der Pflicht, denn nur so könnten sich Kundinnen und Kunden umweltfreundlich verhalten. Auch das Umweltbundesamt UBA appellierte an Unternehmen, „ihre Verpackungen zu überprüfen und systematisch ökologisch zu optimieren“. Das schließe auch deren Recyclingfähigkeit mit ein. Zudem müssten deutlich mehr Mehrwegangebote hinsichtlich Getränke- und Lebensmittelverpackungen eingeführt werden. Viele Konsument:innen wünschen sich von Lebensmittelhandelsmarken darüber hinaus eine sozial und ökologisch verantwortungsvolle Produktion – im besten Fall mit Produkten aus der Region. Zusätzlich zeichnet sich nachhaltiger Konsum über den Einkauf umweltverträglicher Produkte aus. Hilfreich ist es hier auf Umweltsiegel und Bio-Siegel zu achten.
Nachhaltig reisen
24% der Deutschen zahlen bei der Flugbuchung bereits eine CO2 Kompensation. Denn aufgrund der hohen CO2-Abgase bei Flugreisen, achten immer mehr Menschen darauf, nachhaltig zu reisen. Zugleich sind rund 80 % der Bevölkerung dazu bereit, für eine nachhaltige Unterkunft im Urlaub einen gewissen Aufpreis zu zahlen oder setzen auf bekannte Anbieter nachhaltiger Reiseangebote, wie beispielsweise Urlaub & Natur, BUND-Reisen, atmosfair und ReNatour.
Um der Nachhaltigkeit auch bei Geschäftsreisen Folge zu leisten, sind virtuelle Meetings auf dem Vormarsch. Rund 40 % der von Statista im letzten Jahr Befragten in deutschen Unternehmen sind der Meinung, dass das Ersetzen von Reisen durch virtuelle Meetings zur Unterstützung der UN-Klimaziele beiträgt.
Aufgrund der COVID-19-Pandemie kam es bereits zu einer deutlichen Verringerung des Reiseverkehrs. Ein Großteil der Unternehmen (61 %) geht davon aus, dass Inlandsreisen auch über die Pandemiezeit hinaus weitgehend durch digitale Veranstaltungsformate ersetzt werden. 47 % rechnet damit, dass virtuelle Alternativen auch immer häufiger an die Stelle von dienstlichen Auslandsreisen treten werden, so die Ergebnisse einer Befragung im Auftrag der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland unter 152 Unternehmen ab 500 Beschäftigten.
Sharing-Economy
Ein Trend, der auch im Zusammenhang des nachhaltigen Konsums steht, zeigt sich in der Sharing Economy. Hierbei handelt es sich beispielsweise um die Nutzung von Carsharing-Angeboten, Mitfahrgelegenheiten oder Bikesharing aber auch Kleidertauschbörsen, Apartementsharing, Werkzeugsharing und Crowdfunding. Das am weitesten verbreitete Sharing ist das von Autos: Anfang des Jahres 2022 wurden hier mehr als 3,39 Millionen Nutzer gezählt, ihre Anzahl stieg im Vergleich zum Vorjahr um etwa 18 Prozent.
Am Beispiel Carsharing wird deutlich: Wo die Nachfrage steigt, lassen passende Angebote nicht lange auf sich warten. Im Jahr 2022 standen rund 14.300 stationsbasierte und 15.900 stationsunabhängige Fahrzeuge zur Verfügung.
Fazit: Von der grünen Lücke zum Graben?
Bislang wird die Verantwortung für einen Lebensstil, der weniger Ressourcen verbraucht, noch viel zu oft als eine rein persönliche Entscheidung angesehen. Es braucht politische Vorgaben, um Konsumtendenzen auszugleichen und eine nachhaltige Zukunft zu schaffen. So kam das Umweltbundesamt im Jahr 2021 zu dem Schluss, dass die positiven Marktentwicklungen im Bereich grüner Produkte nicht ausreichen, um die CO2-Emissionen im notwendigen Umfang zu verringern. Gegenläufige Trends, wie die Zunahme der Einpersonenhaushalte, höhere Wohnfläche oder die erhöhte Ausstattung mit elektronischen Geräten machen es umso schwieriger dies auszugleichen.
Politische Vorgaben schaffen einen Rahmen für nachhaltige Lebensstile. Und leider wird dies auch oft von Unternehmen als Vorwand genutzt und es bleibt bei zaghaften Bemühungen.
Andererseits wurden bereits unterschiedliche Instrumente für die Wirtschaft geschaffen, die Nachhaltigkeit fördern: Nachhaltigkeitsreports, Zertifizierungen und steuerliche sowie rechtliche Anreize. Doch um den ökologischen Fußabdruck im gesamten Produktions- und Lebenszyklus eines Produktes zu beeinflussen, müssen Unternehmen ihr Bemühen sichtbar machen und die Konsument:innen in diesen Nachhaltigkeitsprozess integrieren. Statt den durch die Online-Bestellung entstandenen CO2 Ausstoß für einen geringen Mehrbeitrag zu kompensieren, könnten Händler dies als Standard-Voreinstellung in der Rechnung erscheinen lassen mit der Option dies aktiv abzuwählen. Ähnliches gilt bei der Verpackung: nicht die eingeschweißten Produkte sollten günstiger sein, sondern die Unverpackten.
Das aktive Handeln des Verbrauchers zu einer nachhaltigen Lebensweise wird viel zu oft noch eingebremst – vom Preis, der mangelnden sofortigen Verfügbarkeit aber auch allgemeinen Rahmenbedingungen. Somit ist die gute Absicht bei den meisten zwar vorhanden, doch nur die Hochmotivierten überwinden die Lücke. Eine langfristige Schließung des „Green Gaps“ ist nur dann möglich, wenn den Verbraucher:innen transparent und allgemein verständlich aufgezeigt wird, wie sie wirklich nachhaltig handeln können und ihnen ein vielfältiges sowie gekennzeichnetes Angebot zur Verfügung steht.